Die Franzosen tun es, die Italiener und auch die Schweizer - sie
lassen Käse in Höhlen reifen. Aber auch hierzulande gibt es einen Käse, der zwischen dicken
Gesteinswänden monatelang lagert - in
der grössten Tropfsteinhöhle Deutschlands, der Attendorner Tropfsteinhöhle im Sauerland. Das
Höhlenklima macht dann aus einfachem Käse eine einzigartige regionale Spezialität.
_Das Geheimnis der Höhlen_ Vor rund 100 Jahren wurde sie bei einer Sprengung entdeckt: die
Atta-Höhle. Über 6 Kilometer erstreckt sie sich in den
Kalksteinbergen von Attendorn im Sauerland. Viele Hunderttausend Besucher bestaunen jedes Jahr die
Stalaktiten und Stalagmiten in dem unterirdischen Labyrinth. Doch erst vor Kurzem wurde bemerkt, dass
die Atmosphäre der Höhle auf Käse eine besondere Wirkung hat. Die gleich bleibenden Lagerbedingungen
spielen eine grosse Rolle:
Konstante Temperatur und immer dieselbe Luftfeuchtigkeit, Dunkelheit und Ruhe wirken sich auf die
Reifung des Käses aus - er entwickelt
ein spezielles Aroma, das hat eine kleine Käserei aus Much herausgefunden. Einmal in der Woche lässt
Käsemacherin Juliane Schmitz ihre Käselaibe in die Atta-Höhle liefern. Drei Monate
lagern sie unter Tropfsteinen - und werden zum "Atta-Käse".
_Suche nach der richtigen Höhle_ Eine geeignete Höhle zu finden, war für Juliane Schmitz anfangs gar
nicht so einfach. Zunächst fragte sie in der Tropfsteinhöhle Wiehl an. Da sich in der Wiehler Höhle ein
Standesamt befindet, sagten die Betreiber wegen der möglichen Geruchsbelästigung ab.
Dann wendete sie sich nach Attendorn. Höhlenbesitzer Wolfgang Böhmer war sofort einverstanden. Er hat
dafür gesorgt, dass seine Besucher nicht von dem Käsegeruch belästigt werden: Die Luft aus
dem Reiferaum wird abgesaugt, und ein Wasserschleier vor dem Eingang sorgt dafür, dass der Käseduft
nicht in andere Räume entweichen kann.
_Spezielle Bakterienkombination_ In der Atta-Höhle herrschen konstant 9 Grad Celsius. Das ist
eigentlich zu kühl für die Käsereifung, sagt Juliane Schmitz. So entwickelte sie eine spezielle
Bakterienkombination, die dem Atta-Käse zugesetzt wird. Diese Mikroorganismen sind auch bei
relativ geringen Temperaturen aktiv und sorgen für die Entwicklung des unvergleichlichen Aromas. Vier
Wochen reift der Käse in der Käserei in Much vor, dann wird er nach Attendorn transportiert. Am Anfang
wurde er mit der Sackkarre den 80 Meter langen Gang in die Höhle gefahren. Mittlerweile hat sich
Höhlenbesitzer Wolfgang Böhmer dafür einen gasbetriebenen Wagen angeschafft.
_Salzlake gegen Schimmel, Netze gegen Fledermäuse_ Einmal pro Woche wird der Käse mit Salzlake
abgewaschen. Das beugt der Schimmelbildung vor. Eigentlich, so sagt Juliane Schmitz, wäre es das Beste
für den Käse, ihn drei Monate lang in Ruhe zu lassen und ganz am Schluss den Schimmel abzuwaschen.
Aber das entspricht nicht den staatlichen Hygienebestimmungen. Das Veterinäramt legte fest, dass der
Schimmel einmal pro Woche abgewaschen werden muss.
Ausserdem musste Juliane Schmitz Netze über den Regalen aufhängen, die den Käse vor Fledermäusen
schützen sollen.
_Käse aus hofeigener Milch_ Für den Atta-Käse von Juliane und Rainer Schmitz wird nur
hofeigene Milch verwendet. Die 90 Kühe und 400 Ziegen fressen fast ausschliesslich Futter aus eigenem
Anbau. "Regionaler und klimafreundlicher geht es nicht", sagt Juliane Schmitz. Noch warm wird die
Rohmilch in den Käsekessel gepumpt. Dann kommen Milchsäurebakterien und Lab, ein Enzym aus dem
Kälbermagen, dazu.
Die Milch gerinnt und kann wenig später geschnitten und in Käseformen gefüllt werden.
_Keine Käsetradition im Rheinland_ Als Juliane und Rainer Schmitz Mitte der 90er-Jahre begannen, die
hofeigene Milch zu Käse zu verarbeiten, machten sie das in einer umgebauten Garage. Einen Kredit zu
bekommen, war nicht einfach. Man kann in Much keinen Käse machen und verkaufen, sagte die erste
Bank. Die zweite konnte sich nicht vorstellen, dass man Ziegen melken kann. Erst die dritte Bank gab das
nötige Startkapital. Dass es am Anfang so schwierig war, liege auch an der fehlenden Käsetradition im
Rheinland, meint Juliane Schmitz. "Käsemachen ist sehr viel Arbeit. Das hat man ja nur gemacht, um die
Milch haltbar zu machen für den Winter. Das aber brauchte man im Rheinland nicht.
Hier waren immer viele Menschen, eine dichte Population, man konnte die Milch frisch verkaufen und
anschliessend Bier trinken gehen, was dem Rheinländer ja sehr entgegenkommt." _Probleme mit der
Vermarktung_ Auch das Verkaufen des Käses ist nicht einfach. Mit Hofläden zum Beispiel hat Juliane
Schmitz schlechte Erfahrungen gemacht: "Die
Hofläden kaufen lieber ihren Käse bei grossen Käsereien ein, die ihren Käse wiederum schon zum Teil in
Holland kaufen. Die tun dann so, als ob das selbst gemachter Käse wäre, das finde ich ziemlich
bedauerlich." Auch ins Sortiment der grossen Supermärkte aufgenommen zu werden, ist sehr schwierig.
Viele sind zentral organisiert und an Hauptlieferanten gebunden. Einzige Chance: Man muss die Marktleiter
von dem regionalen Produkt überzeugen. Mittlerweile haben sich Juliane und Rainer Schmitz mit ihrem
Käse einen guten Namen gemacht. Die Kollektion aus "Jule’s Käsekiste" kann man in
verschiedenen deutschen Supermärkten kaufen - besonders beliebt ist
der Atta-Käse.
_Streit um den Namen_ Obwohl der Atta-Käse der einzige deutsche Höhlenkäse ist, darf er
nicht "Atta-Höhlenkäse" genannt werden. Arla, die grösste
Molkerei Europas, hat sich per Gericht dagegen gewehrt. Sie hat sich den Begriff "Höhlenkäse" schützen
lassen. Juliane Schmitz: "Wir
hatten gehofft, dass "Atta-Höhle" als eigenständiger Begriff
gelten würde, aber das haben die nicht akzeptiert." Besonders ärgerlich dabei: Der Höhlenkäse der Firma
Arla reift in Stollen,
also in von Menschen gemachten Hohlräumen, und nicht wie der Atta-Käse in einer richtigen, natürlichen
Höhle. Aber eine
Auseinandersetzung vor Gericht wäre für die kleine Bauernhofkäserei zu teuer geworden. Also nannte
Juliane Schmitz ihre Spezialität eben "Atta-Käse".
_Das Geheimnis der Atta-Höhle_
Um Kosten und Mühe zu sparen, hat Juliane Schmitz versucht, die Lagerbedingungen der Höhle im
heimischen Reiferaum nachzumachen.
Sie hängte feuchte Bettlaken auf, um eine hohe Luftfeuchtigkeit zu bekommen, stellte die gleiche
Temperatur ein wie in der Höhle.
"Aber", so stellte sie fest, "das gibt kein Aroma, also nicht das, was sie hier in der Höhle haben.
Letztendlich kann ich es gar nicht erklären, was es genau ist - das ist das Geheimnis der
Atta-Höhle."
Autorin: Hanna Dietz
_Links_
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/extras/küchentipps/k
/käse.jsp Küchentipp: Käse. (Servicezeit: Essen & Trinken, Küchentipps
Archiv)
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200
8/0208/00_käse.jsp Geriebener Käse im Test. (Servicezeit: Essen & Trinken vom 8.
Februar 2008)
*
http://www.wdr.de/tv/daheimundunterwegs/service/markt/20040507.phtml
Vielfalt pur: Alles rund um den Käse. (daheim&unterwegs vom 7. Mai
2004)
* http://www.atta-höhle.de
Atta-Höhle Attendorn. Informationen zur Höhle und zum Atta-Käse
* http://www.juleskäsekiste.de
Jule's Käsekiste. Homepage zur Käsefarm
* http://www.was-wir-essen.de/abisz/2047.php
Warenkundliche Informationen über Käse. Seite des aid Infodienstes: "was wir essen"