"Wie soll man ein Land regieren, das 325 Käesorten hat? " Dieses berühmte Zitat von General Charles de
Gaulle mag verzeifelt klingen, bringt aber vor allem eines zum Ausdruck: So verschieden die
Franzosen auch sein mögen, das Volk eint der Stolz, so viele Käsesorten zu erzeugen. An der Spitze
dieser beachtlichen Rangliste rangiert der Comt#, auch Gryère die Comt# genannt. 38 000 Tonnen werden
jährlich produziert und verzehrt. Seine Beliebtheit hängt ent mit dem vorzüglichen Geschmack, aber ganz
besonders auch mit seien vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten zusammen. Im Haut Jura, wo er
beheimatet ist, gehlt er beispielsweise in keinem Fondue. Dort weiden die Montb#liardes-Kühe, aus deren
Milch er hergestellt wird,
auf den saftigen Wiesen, die mit unzähligen Farbkleksen aus bunten Blumen übersäht sind. Eine
Augenweide von Mai bis zur Heuernte im Juli. Diese Pflanzenvielfalt verleiht dem Comt# seinen
unverwechselbaren, aromatischen und nussigen Geschmack. Mühelos bewältigen die kräftigen
Montb#liardes selbst die steilsten Hänge.
Ihre Urahnen wurden gern als Arbeitstiere eingesetzt, um die Holzstämme aus den Wäldern zu schleppen.
Ab Juli duftet die Landschaft nach geschnittenem Gras. Das Heu auf den Dachböden der Bauernhäuser
dient im Winter als zusätzlicher Kälteschutz. Im Haut Jura grasen sich die Montb#liardes satt, nur ab und
zu hört man ihre riesigen Kuhglocken. Trifft manauf eine grössere Herde, ein ganzes Orchester sozusagen,
klingen ihre Glocken-Instrumente harmonisch wie
Kirchengeläut. Überhaupt hat die Akustik in dieser Landschaft einen besonderen Stellenwert. An manchen
Aussichtspunkten und Kirchen sind Tafeln angebracht, die erläutern, wo man den Klang dieser Gegend am
besten geniesst. So rühmt sich das Gotteshaus von Les Bouchoux dort schwarz auf weiss, nicht nur in
einem der schönsten Dörfer, sondern obendrein in erstklassiger akustischer Lage plaziert zu sein. Im
Winter dürfen die Kühe ausschliesslich mit dem Heu der hiesigen Wiesen gefüttert werden. So lautet eine
der vielen Bedingungen, um das staatliche Gütesiegel für Qualität und Herkunftskontrolle, die AOC, zu
erlangen. In dieser bergigen und kaum bewohnten Landschaft haben sich die Milchbauern in
Genossenschaften, den sogenannten fruitières, zusammengeschlossen, wie zum Beispiel in Les
Moussières.
In diesem Dorf erzeugt die fruitières neben dem Comt# noch zwei andere typische Käsesorten des Haut
Jura: den Bleu de Gex und den
Morbier. Alle drei Käsesorten werden aus Kuhmilch gewonnen. Für einen etwa 50kg schweren Comt#
braucht man die Tagesproduktion von dreissig Kühen. Käser erhitzen die Rohmilch auf maximal 40oC und
geben dabei Lab dazu. Dann schneiden sie den Bruch in Würfel und erwärmen diese langsam auf 54oC, so
sieht es die AOC vor. Im Keller werden die innerhalb von zwei Tagen gepressten Laibe zweimal in der
Woche mit Salzlake eingerieben, so dass sich die Rinde bildet. Vier bis zwölf Monate lang reifen sie nun
auf Holzbrettern. In denselben Kellern wie die Comt#s liegen meist auch die je 7,5kg schweren Bleus de
Gex, erkennbar an dem in die weissliche Ringe gestempelten Schriftzug "Gex". Dieser aus Rohmilch
hergestellte, nicht erhitzte und ungepresste, milde Blauschimmelkäse, auch Bleu du Haut Jura oder Bleu
de Septmoncel genannt, spritzen die Käser den Blauschimmel Penicillium glaucum nich tmehr ein, wie sie
es früher gemacht haben, vielmehr erfolgt die Beimengung der Schimmelsporen heutzutage in der Milch.
Während der Reifung wird dann Luft mit der Spritze eingeführt. Für denjenigen, der seinem Raclette eine
kleine, würzige Abwechslung gönnen will, kommt der Bleu de Gex wie gerufen.
Der dunkle Streifen mitten im Teig des etwa sieben Kilo schween Morbiers ist kein Blauschimmel, sondern
besteht aus KOhle. Der Rohmilchkäse wurde früher ab September, als die Kühe weniger Milch gaben, für
den eigenen Verzehr hergestellt. Die Melkration eines Tages reichte allerding snicht für einen ganzen Käse,
deshalb bestäubten die Bauern den frisch gepressten Käse mit einer Schicht Holzasche, um ihn zu
konservieren. Am anderen Tag vollendeten sie dann ihren Morbier mit einer zweiten Schicht Käse. Aus der
Not wurde eine Tugend, denn gerade dieser Streifen gibt dem Morbier eine besondere, geschmackliche
Note. Der Morbier reift, wie der Bleu de Gex, mindestens einen Monat lang. Um diese Käsetrio zu
geniessen, braucht man nicht unbedingt in den haut Jura zu fahren. Freitags und samstags bekommt man
den Käse in bester Qualität beispielsweise auf dem Markt in Siegburg (bei Bonn).