Michäl Merz: Gorgonzola entstand im alten Rom - Anfang der achtziger
Jahre fuhr ich mit dem italienischen Meisterkoch Gualtiero Marchesi an einem Freitagmorgen in eine
Reismühle vor Mailand. Es war November und die Lombardei in dicke Nebelschwaden gehüllt. Marchesi
raste, als gälte es, das Autorennen von Monza zu gewinnen. Ich klammerte mich an meinen Sitz und hoffte
lediglich, heil anzukommen.
Irgendwann tauchte aus dem Nebel ein Schild auf. 'Gorgonzola' stand darauf geschrieben. 'Niemand weiss,
dass es diesen Ort tatsächlich gibt', erklärte der Koch. 'Er ist trotz dem berühmten Käse so winzig
geblieben, dass er nur auf lokalen Karten verzeichnet ist.' Dann erzählte mir Gualtiero, dass dieser Ort
bereits in römischen Zeiten als Rastplatz für Kühe gedient hatte. Wenn man das Vieh aus den Ebenen zur
Sömmerung auf die Weiden der Voralpen trieb, mit ihnen im Spätsommer wieder in den Süden
zurücckehrte, konnten sich die Tiere hier für einige Tage erholen. Für kurze Zeit gab es dann in der Gegend
einen solchen Überfluss an Milch, dass nichts anderes übrig blieb, als ihn zu Käse zu verarbeiten. So
entstand der Gorgonzola.
An meinem letzten Abend im damaligen Ristorante Marchesi in Mailand wurde mir ein spezieller 'fine pasto'
aufgetragen: ein Stück junger,
noch cremiger Gorgonzola, beträufelt mit kraftvollem Kastanienhonig # eine jener altmodischen
Geschmackskombinationen von süss und salzig, von pikant und herb. Dazu wurde ein Fladenbrot aus
Kartoffeln serviert und # separat # einige frisch ausgelöste Baumnüsse. Mit der Pfeffermühle würzte der
Gast das Gericht je nach Belieben.
Seine besondere Note erhielt der Käsegang durch ein Glas fruchtigen, trockenen Moscato. Er rundete
dieses 'Ende einer Mahlzeit' vollendet ab.
Zubereiten des Kartoffelbrots:
Die ungeschälten Kartoffeln in kaltem Salzwasser aufsetzen. Gar kochen, danach schälen und in grobe
Stücke schneiden. In einer Schüssel im offenen Backofen bei 80 Grad in etwa zehn Minuten trocknen.
In eine Schüssel durchpressen und mit einem Holzlöffel die Butter darunter mengen. Es entsteht ein
weicher Teig, den Sie allenfalls mit Salz und Pfeffer nachwürzen.
In den noch warmen Teig nun nach und nach das Mehl darunter mengen. Es entsteht ein fester Teig, den
Sie auf Mehl auf zirka einen Zentimeter Dicke ausrollen.
Mit einem Springformring von 24 Zentimeter Durchmesser einen Kreis auf den Teig drücken. Ausschneiden
und dieses Teigstück in acht Schnitten schneiden.
Eine Teflonpfanne oder ein 'Griddle' mit einem Hauch Butter bestreichen. Erhitzen und die 'Tortenstücke'
darauf auf beiden Seiten knusprig backen.
Anrichten Den Gorgonzola mindestens eine Stunde vor dem Auftragen aus der Kälte nehmen und
Raumtemperatur annehmen lassen.
Den Honig etwas aufrühren, damit er leicht rinnt.
Den Käse auf die Kartoffelbrotstücke streichen, mit wenig Honig beträufeln und mit viel Pfeffer bestreuen.
Jeden Bissen mit einem Schluck Moscato geniessen.
Die Tricks Das Kartoffel-Fladenbrot ist eigentlich ein Gnocchiteig ohne Eizugabe.
Deshalb müssen die Kartoffeln möglichst trocken sein, wenn sie mit Mehl und Butter zusammenkommen.
Nur so saugen sie sich voll, binden das Mehl und backen saftig-trocken aus. Also muss man die Kartoffeln
in der Schale garen: So nehmen sie praktisch kein Kochwasser auf.
Nach dem Schälen werden die Kartoffeln in Stücke geteilt und nochmals im warmen, offenen Backofen
getrocknet. So reduziert sich ihre Flüssigkeit auf ein Minimum. Butter und Mehl sollen nicht miteinander in
die noch warme Masse gemixt werden. Nur so entsteht ein sämiger Teig ohne Knollen. Der 'Griddle' ist
eine völlig flache Bratpfanne, die in Amerika erfunden wurde, um im Hausinnern grillieren zu können. Der
Griddle speichert grosse Hitze, verschliesst die Poren des Garguts sofort und bildet eine herrlich knusprige
Kruste. Teflonpfannen können ebenfalls benutzt werden. Sie besitzen allerdings meist keinen dicken,
schweren Boden und können deshalb die Hitze nicht perfekt speichern. Die Kruste wird unregelmässig und
nicht sehr knusprig. Jeder Käse sollte vor dem Verzehr unbedingt Raumtemperatur erreichen. Nur so
schliessen sich seine Nebenaromen auf, und der Genuss wird perfekt. Kastanienhonig ist ein 'miele
amaro', ein bitterer Honig. Weil er von Pflanzen stammt, die besonders viele Gerbstoffe besitzen # etwa
Tannen oder Kastanien #, ist sein Geschmack nicht fruchtig-rund, sondern eher
süss-kräftig und malzig. Er passt deshalb ideal zum säuerlichen
Gorgonzola.