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Essigherstellung Teil 1



Für 1 Yield

ESSIGHERSTELLUNG

  • Quelle : Das Grosse Hobbythe
  • ISBN : 3-8025-6142-2
  • Erfasst: Jürgen Weingarten
  • Quelle : Das Grosse Hobbythek-Buch vom Essen/1

    TEIL 1:

    Ein uraltes Genus und Heilmittel.

    Schon lange bevor die Menschen auf diesem Globus auftraten hat es Alkohol und Essig gegeben. Beides haben die Menschen nähmlich nicht erfinden müssen, sie mussten es nur in der Natur entdecken. Was Alkohol und Essig miteinander zu tun haben, dazu gleich mehr. Mit dem Essig hat sich die Hobbythek drei Naturprodukte vorgenommen, die nicht nur besonders delikate Genussmittel sind, sondern zugleich auch Heilmittel. Nachdem die Fresswelle der 60er und 70er Jahre korrigiert wurde durch die Einsicht, dass dabei die Gesundheit auf der Strecke bleiben kann, kümmert man sich wieder um Heilkräfte in unseren Nahrungsmitteln. Man achtet also nicht nur auf schädliche (Konservierungs-)Stoffe in der Nahrung, sonder man fragt danach, welche Dinge von Natur aus heilende Wirkung haben. Und das trifft auf Senf, naturgesäuerte Gemüse und Essig zu. In dieser doppelten Eigenschaft ist die Verwendung von Essig schon bei den Babyloniern, Assyrern und Ägyptern nachgewiesen. In diesen warmen Ländern hat Weinessig ausserdem, mit Wasser verdünnt, als erfrischendes und durststillendes Getränk eine Rolle gespielt. Essig ist bei der Kreuzigung Jesus gegenwärtig: ein mitleidiger Soldat reicht ihm einen essiggetränkten Schwam auf einer Lanze zur Linderung seines Durstes. Schliesslich hat hat der Essig, ebenso wie der Senf, auch rituelle Bedeutung gehabt. Im alten China galt der Krug mit dem Essig als Symbol des Lebens. Ob Essig nun ein Genussmittel oder Medizien ist, liess sich oft nicht klar voneinander trennen. Gegen Pest und Aussatz half aber wohl auch Essig nichts, wohl aber äusserlich angewendet gegen manche Entzündungen und eingenommen gegn Darmerkrankungen und Husten. Mit der Erforchung der Wirkung von Essig hat schon im 8. Jahrhundert der damals sehr einflussreiche Gelehrte und Alchimist Dschabir ibn Hajn es-Sufi, genannt " Geber ", begonnen. Aber auch berühmte Wissenschaftler der neueren Zeit haben Essigforchung betrieben. So der Mitbegründer der modernen Chemie Antoine Laurent Lavoisier (1743 bis 1794), Justus von Liebig (1803 bis 1873) und der Biologe Louis Pasteur (1822 bis 1896).

    Die Essigsäurebakterien sind wahre Alkoholiker: Sie sind es ohne die schlimmen Wirkungen, die übermässiger Alkoholkonsum auf den Menschen hat. Was diese Bakterien zustandebringen, ist selbst Liebig und Pasteur noch verborgen geblieben. Bis um die Wende zu unserem jahrhun- dert glaubte man nämlich noch, dass sich Essig wie Alkohol bildet: also durch die Wirkung von Hefezellen. Dieser Irrtum war naheliegend. Wein und Essig sind eng miteinander verwandt, was unsere Vorfahren schon daraus erkannten, dass Essig entsteht, wenn man ein alkoholhaltiges Getränk längere Zeit offen stehen lässt. Die Winzer waren darüber gar nicht glücklich, denn es war früher durchaus keine Seltenheit, dass der gesamte Weinbestand in Essig oder zumindest essigstichig wurde. Dagegen hilft heute nicht nur steriles Arbeiten, sondern auch der Einsatz von Schwefel. Der schützt den Wein zwar gegen das Umkippen in Essig, ist aber nicht gerade gesundheitsfördern. Heute wissen wir, dass für die Essigbildung nicht Hefen, sondern Bakterien verantwortlich sind. Was dabei passiert wollen wir ihnen jetzt beschreiben. Sie werden dann nicht nur mehr wissen als Liebig und Pasteur, sondern dieses Wissen bei der Essigherstellung auch gleich praktisch verwerten können.

    Am Anfang war der Zucker: Zucker spielt im Stoffwechselhaushalt der Pflanzen und Lebewesen als Ener- gielieferant und Energietransporteur eine entscheidende Rolle. Zucker ist eine besonders energiereicher Stoff. Vor allem die Pflanzen nutzen ihn neben der Stärke als Energiespeicher, der z.B die aufgenommene Sonnenergie besonders effektiv speichert. Deshalb verwundert es nicht, dass Zucker in der organischen Substanz auf unserem Globus in Hülle und Fülle vorhanden ist. Seine Menge ist wesentlich grösser als die Menschen verbrauchen können. Würde der Zucker nicht ständig abgebaut würde unsere Erde im wahren Sinne des Wortes verzuckert sein. Durch Milchsäuregärung einerseits und den Prozess der Alkoholbildung andererseits wird der Zucker umgesetzt. Bei der Alkoholvergärung dient der Zucker bestimmten Hefezellen als Nahrung, ein Stoffwechselprodukt ist schliesslich der Alkohol. Der Alkohol ist aber eigentlich nur ein Zwischenprodukt der Natur. Er dient wiederum anderen Kleinstlebewesen - eben den Essigbakterien - als Nahrungsvorrat. Diese Bakterien nehmen den Alkohol in ihr Zellinneres auf, sie saufen sich sozusagen voll damit, und sie verdauen ihn schliesslich zu Essigsäure. Dabei vermehren sie sich permanent. Dieser Umwandlungsprozess von Alkohol in Essig funktioniert allerdings nur, wenn Sauerstoff vorhanden ist, den diese Bakterien sozusagen atmen. Wissenschaftlich ausgedrückt handelt es sich dabei um eine biologische Oxidation von Alkohol. Essig kann deshalb auch nur entstehen, wenn ständig Sauerstoff an die Alkohollösung heran- kommt, was sowohl bei der industriellen wie bei Ihrer eigenen Herstellung von Essig wichtig ist. Nun gibt es wie bei den Hefen und der Weinherstellung verschidene Arten von Essigbakterien, die zur Essigherstellung unterschid- lich gut zur geeignet sind. Die Kunst besteht nun darin, unter den Bakterien diejenigen zu finden, die den wohlschmeckendsten Essig Essig erzeugen. Ausserdem müssen Verfahren gefunden werden, wie man diese Bakterien mög- lichst effektiv mit Sauerstoff versorgen. Essigbakterien gibt es praktisch überall. Sie schwirren in der Luft herum, sie sitzen auf Obst, und beson- ders in Wein und Obstgegenden sind sie allgegenwärtig. Der folgende Versuch wird Ihnen in einer solchen Gegend sicher leicht gelingen. Aber vielleicht haben Sie damit sogar in der Stadt Glück.

    Fortsetzung in Teil 2

    Stichworte

    Aufbau, Essig, Info

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