"Die Feige", so schrieb im Jahre 1851 der berühmte Feinschmecker Baron Eugen von Värst, "ist die wahre
Poesie des Obstes. Wer einmal die kleine griechische Feige genossen hat, kann den Enthusiasmus
begreifen, welchen die feinzüngigen Athener für die Feigen hatten." ~Zu uns kommen frische Feigen erst
seit der Erfindung des Kühlwagens. Und sie sind für viele ein noch zu entdeckender Genuss.
Das berühmte Feigenblatt, mit dem Adam und Eva ihre Blösse bedeckten, ist, so wollen manche Leute
wissen, gar kein Feigenblatt gewesen, vielmehr hätten unsere Ureltern ihre Röckchen von der Sykomore
gezupft, von der Eselsfeige also, die nur eine entfernte Verwandte der Ess- oder Speisefeige ist, von der
hier die Rede sein
soll. Es gibt an tausend Sorten wildwachsender Feigen, die in allen wärmeren Ländern verbreitet sind.
Die Speisefeige wird schon in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends vor Christus im ägäischen Raum
erwähnt, doch viele alte Überlieferungen deuten darauf hin, dass Kleinasien, Syrien und Palästina damals
noch einen Vorsprung in der Kultur der Feige besassen. So schrieben zum Beispiel die Griechen die
Erfindung des Feigentrocknens der kleinasiatischen Göttin Kybele zu. Feigen lieben Wärme, sie vertragen
Trockenheit und Hitze, nur nicht allzuviel Feuchtigkeit. In Europa findet man sie ausser im Mittelmeerraum
auch noch an geschützten Stellen in Südtirol und in Mittelfrankreich, weiter nördlich nur noch in
Gewächshäusern. Feigen wachsen an nicht sehr hohen, weit verzweigten Bäumen oder an Büschen, deren
grosse Blätter tief eingeschnitten sind. Die Pflanzen sind zweihäusig, das heisst, nur die weiblichen tragen
Früchte.
Ursprünglich erfolgte die Befruchtung durch die Feigengallwespe, Neuzüchtungen tragen auch ohne diesen
Zwischenträger Früchte.
Übrigens: Feigen sind sogenannte Scheinfrüchte. Die eigentlichen
Früchte sind die kleinen stecknadelkopfgrossen Kernchen im Innern der Feige. Sie sind eingeschlossen in
die saftigfleischigen Bluetenblätter. Das Ganze umfängt der zu einem Beutel zusammengewachsene
Bluetenteller.
Feigen enthalten bis zu 20 Prozent Zucker, viel Eiweiss und an Mineralstoffen vor allem Kalzium, Phosphor
und Eisen. Sie eignen sich vorzüglich zum Trocknen, und getrocknet sind sie auch bei uns lange bekannt.
Frische Feigen dagegen waren bis vor kurzem wegen ihrer Empfindlichkeit kaum je zu bekommen. Heute
erreichen sie uns in Kühlwagen. Die in den Monaten September/Oktober angebotenen Feigen stammen
vorwiegend aus Italien. Spezialgeschäfte bieten zu anderen Jahreszeiten gelegentlich Feigen an, die aus
Brasilien kommen und natürlich entsprechend mehr kosten.
Unreif schmecken Feigen nicht; sie sondern einen scharfen ätzenden Milchsaft ab. Reife Feigen sind je
nach Sorte gelblich bis violett, im Innern weissrosa oder kräftig rot. Verbrauchen Sie Feigen schnell.
Wenn die Haut Stellen bekommt, sind sie schon fast nicht mehr geniessbar. Die Schale wird im
allgemeinen nicht mitgegessen.
Schneiden Sie die Feigen auf, und löffeln Sie sie einfach aus. Oder schälen Sie die Früchte.
Der Geschmack ist süsslich, bei hierzulande gezüchteten Sorten sogar etwas fade, bei den importierten
viel aromatischer. Etwas Säure oder entsprechend kräftige Beigaben heben den Geschmack. Es kommt
nur auf die richtigen Kombinationen an, die allerdings in unseren Breiten kaum bekannt sind. Hier unsere
Vorschläge:
Feigen als Vorspeise: Gut gekühlte Feigen mit hauchdünn
geschnittenem Schinken und Salami servieren. Ein herber Weisswein und erst recht ein Retsina
(griechischer Weisswein mit leicht harzigem Geschmack) passen dazu.
Feigen als abendliche Hauptmahlzeit: Gekühlte Feigen zu Käse, Brot
und Wein reichen. (Oder auch nach einem warmen Gericht.) Feigen als Nachtisch: Feigen gekühlt
servieren einfach so! Oder: Die
Feigen aufschneiden, mit etwas Kirschwasser oder Weinbrand beträufeln und kühl stellen. Dazu passt
Schlagsahne.
Oder: Die Feigen mit Weisswein, Zucker und etwas Zitronenschale zu
Kompott verkochen. Ganz köstlich: : Weinsauerkraut mit gedünsteten
Feigen zu Fasan. Dafür können Sie allerdings auch Feigenkompott aus der Dose verwenden.
STECKBRIEF:
:Name Feige, Speisefeige, karische Feige, Smyrnafeige, fig (engl.),
figuier (franz.), fico (ital.). Botanisch Ficus carica L. Famile:
Maulbeergewächse, bot. Moraceä.
:Anbau: Heimat Kleinaseien. Planmässig gepflanzt im Mittelmeergebiet,
China, Japan, Südafrika, Kalifornien, Südamerika.
:Form und Farbe: Birnenförmig, je nach Sorte grüngelb bis violett.
Fruchtfleisch weissrosa bis rötlich.
:Gewicht: Eine Feige wiegt 50-70 Gramm.
:Nährwert: 100g enthalten 1,3g Eiweiss, 11g Kohlenhydrate, 49
Kalorien, 80 I.E.Vit.A, 50mg Calcium, 1mg Eisen.
:Importe: September und Oktober, vorwiegend aus der Italienischen
Provinz Kalabrien. Zu anderen Zeiten per Luftfracht aus Brasilien.